I contain multitudes. Ich trage ein Vielfaches in mir. Und ich falle damit durch das Algorithmen Raster von Social Media.
Seine erste Verwendung fand der Satz "I contain multitudes" in Walt Whitman's bahnbrechendem Gedicht „Song of Myself“ von 1855 aus seiner Sammlung "Leaves of Grass": "Do I contradict myself? Very well then I contradict myself, (I am large, I contain multitudes.)"
Was meinte er damit? Und warum schreibe ich hier darüber? :)
Die berühmte Zeile seines Gedichts bringt die Erkenntnis der Schönheit der Menschheit auf den Punkt. Sie ist ein Aufruf zur Anerkennung der Universalität, der menschlichen Komplexität und der Widersprüchlichkeit. Alles ist eins und jeder ist vielfältig.
Und genau das gilt es in der heutigen Welt anzuerkennen und wieder zu feiern!

Zu lange haben wir uns Masken der Perfektion zugelegt. Den Schein wahren und ja nicht über die dunklen oder unpassenden Seiten sprechen. Denn sie verheissen Unsicherheit und Schwäche.
Nur, warum? Gerade die Gegensätze, gerade diese Vielfalt unterscheidet uns Menschen doch von der optimierten Maschine. Gerade diese sogenannt dunklen Seiten machen Wachstum und das Weiterkommen doch erst möglich. Und nicht umsonst schrieb Leonard Cohen in seinem Song Anthem: "There is a crack in everything, that is how the light gets in."
Wird es nicht erst spannend, wenn die Masken der Perfektion verrutschen, so dass unsere Vielfalt zum Vorschein kommen kann? Wollen wir nicht in unserer Gesamtheit gesehen und akzeptiert werden? „I contain multitudes“ ist in der heutigen Zeit ein Schrei nach Individualität, sein Subtext: „Ich bin nicht nur A oder B, nicht nur das, was dem Algorithmus passt, nicht nur durchgängiger Erfolg und "tick the boxes"; ich bin ein Mensch!“
Wird es nicht erst spannend, wenn die Masken der Perfektion verrutschen, so dass unsere Vielfalt zum Vorschein kommen kann?
Und Mensch sein heisst nicht nur aus Gegensätzen zu bestehen, sondern auch ganz unterschiedliche Interessen und Hüte auf zu haben. Interessen, die uns beflügeln und zu der Person machen, die wir sind. Tätigkeiten, die alle unsere Fähigkeiten berücksichtigen.
I contain multitudes. And that's why my self-expression is diverse.
Nichts was unseren Social Media Algorithmen auf den ersten Blick in den Kram passt. Denn dort sollte alles möglichst gestreamlined werden. Bewege dich in der richtigen Bubble für dein Thema mit dem passenden Netzwerk. Schreibe nur über Themen, die deine Bubble ganz sicher interessieren. Klar, so funktioniert das. Und das hilft ja auch konsistente Botschaften nach aussen zu tragen.
Nur, was mache ich, wenn ich ganz unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehe? Und diese Tätigkeiten verschiedene Social Media Bubbles auf der gleichen Plattform bedienen? Wie in meinem Fall zum Beispiel das Management eines jungen IT Unternehmens für Anwaltssoftware mit einer Bubble aus IT Interessierten und Rechtsanwält:innen und meine eigene Firma Framework Studios, in der ich Unternehmer:innen und Selbständige aus der Lifestyle-Branche auf ihrem Weg in die Sichtbarkeit mit Positionierungsarbeit und dem Aufbau ihrer Markenidentität unterstütze?
Definitiv zwei unterschiedliche Bubbles, die den Algorithmus völlig aus dem Rhythmus bringen.
Nun, entweder finde ich ein übergreifendes Thema, das beide Bubbles bedient (Facettenreichtum vielleicht? :)) oder ich muss mich entscheiden. Das Softwareunternehmen wird nur über die Unternehmensseite bedient und meine eigene Firma über meinen persönlichen Kanal gepusht. Zum Beispiel.
Nicht meine Idealvorstellung, meine Multitudes zum Ausdruck zu bringen. Und keine Unterstützung, mich vollständig in meinem Facettenreichtum zeigen zu können. Aber in einer Algorithmus getriebenen Online Welt aktuell wohl die einzige Möglichkeit, um den Algorithmus nicht zu vergraulen und überhaupt eine Chance auf Sichtbarkeit für meine unterschiedlichen Tätigkeiten zu haben.
Ich studiere also noch etwas an meinem übergeordneten Thema für meine Social Media Plattformen herum. Eventuell finde ich ja auch da in der Kunst eine Antwort. Denn wo sonst, wenn nicht dort, wird Selbstausdruck mehr auf den Punkt gebracht? Und wo sonst ist punkto Selbstausdruck alles so sehr erlaubt, wie in der Kunst? ;-)
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